Stand 10.07.2024
Nachdem in den Niederlanden am 05.09.2023 die ersten Fälle von Infektionen mit dem Blauzungenvirus des Serotyps 3 nachgewiesen wurden, breitet sich dieser Virustyp in Mitteleuropa rasant aus. Am 09.10.2023 verlor nach den Niederlanden auch Belgien den Status „seuchenfrei in Bezug auf BTV“.
Am 12.10.2023 fand sich der erste Nachweis einer Infektion mit dem Blauzungenvirus des Serotyps 3 in Deutschland in Nordrhein-Westfalen im Landkreis Kleve. Es folgten die Bundesländer Niedersachsen, Bremen und Rheinland-Pfalz. Mit dem Nachweis der Blauzungenkrankheit bei einem erkrankten Tier in Alsfeld (Vogelsbergkreis) am 05.07.2024 verlor nun auch Hessen den BTV-Freiheitsstatus. Das zuständige Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Vogelsbergkreises führt im Rahmen der Maßnahmen rund um den Blauzungen-Fall in Alsfeld die notwendige Beprobung von Tieren durch.
Aber auch für die Tierhalter im Main-Kinzig-Kreis hat der Seuchenfall durch den Verlust des Status „frei vom Virus der Blauzungenkrankheit“ unmittelbare Folgen insbesondere hinsichtlich der Verbringungsregelungen empfänglicher Tierarten (Bovidae, Camelidae und Cervidae) und der Impfung:I)
I. Verbringungsregelungen für Tiere empfänglicher Arten aus nicht BTV-freien Regionen in Deutschland:
Verbringung in BTV-freie Regionen in Deutschland: Die Tiere wurden innerhalb von 14 Tagen vor der Verbringung mit negativem Ergebnis einem PCR-Test auf BTV3 unterzogen und wurden mind. 14 Tage vor der Probenentnahme und bis zum Verbringungszeitpunkt durch Insektizide oder Repellentien gegen Vektorangriffe geschützt.
Verbringen in andere Mitgliedstaaten: Tiere empfänglicher Arten dürfen nur nach den besonderen Regelungen einzelner Mitgliedstaaten in diese Staaten verbracht werden. Die Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten finden sich auf der EU-Seite unter dem folgenden Link. In Mitgliedstaaten, die dort nicht aufgeführt sind, dürfen Tiere empfänglicher Arten aus Hessen nicht mehr verbracht werden. Bei Mitgliedstaaten, die auf der EU-Seite aufgeführt sind, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Bedingungen von empfänglichen Tieren aus Hessen erfüllt werden. https://food.ec.europa.eu/animals/animal-diseases/surveillance-eradication-programmes-and-disease-free-status/bluetongue_en#movements
Ergänzende Maßnahmen für den Transport in bzw. durch BTV-freie Zonen: Ergänzend zu den Anforderungen nach der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 gelten für den Transport in bzw. durch ein BTV-freies Gebiet folgende Anforderungen gem. Art. 32 Abs. 1 bzw. Art. 33 Abs. 1 Buchst. b der Delegierten Verordnung (EU) 2020/688
(sofern der Transport nicht aus einem BTVfreien Gebiet erfolgt, die Tiere nicht gegen alle in den letzten zwei Jahren aufgetretenen Serotypen geimpft sind oder Antikörper gegen diese aufweisen oder die Tiere nicht zur Schlachtung bestimmt sind):
- a) die Tiere müssen während des Transports vor Angriffen durch Vektoren geschützt werden (aufgrund der Wartezeiten für Fleisch darf nur das Transportmittel behandelt werden, nicht aber die Tiere selbst),
- b) die Tiere werden nicht für länger als einen Tag entladen, es sei denn, Tiere werden in einem vektorgeschützten Betrieb oder in einem Gebiet während der vektorfreien Zeit abgeladen.
Da für die innergemeinschaftliche Verbringung eine TRACES-Gesundheitsbescheinigung notwendig ist, bitte setzen Sie sich mit der zuständigen Veterinärbehörde in Verbindung
So können Tiere aus Hessen beispielsweise nach Luxemburg verbracht werden, wenn sie dieselben Bedingungen erfüllen, wie für die Verbringung in BTV-frei Regionen in Deutschland. Verbringung in Regionen in Deutschland, die keinen BTV-Freiheitsstatus haben (NW, NI, RP und HB): Nach der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 Anhang V Teil II Kapitel 2 Abschnitt 1 Nr. 8 können Tiere in die Regionen in Deutschland, die keinen BTV-Freiheitsstatus haben (NW, NI, RP und HB), ohne weitere Untersuchungen verbracht werden.
Diese Regelung gilt auch für die Verbringung in die Niederlande und Belgien.
Nach der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 Anhang V Teil II Kapitel 2 Abschnitt 1 Nr. 4 können Tiere unter den folgenden Bedingungen zu einem Schlachthof transportiert werden. Die Tiere sind
zur sofortigen Schlachtung bestimmt. In ihrem
Ursprungsbetrieb wurde in den letzten
30 Tagen vor dem Verbringen kein Fall von BTV nachgewiesen. Die Tiere werden
direkt zum Bestimmungsschlachthof transportiert und dort
innerhalb von 24 Stunden nach der Ankunft
geschlachtet. Zusätzlich hat der Betreiber des Herkunftsbetriebs den Betreiber des Bestimmungsschlachthofs
mind. 48 Stunden vor der Verladung der Tiere über die Verbringung informiert. Eine entsprechende Tierhaltererklärung ist durch den Tierhalter auszufüllen
Tierhaltererklärung Schlachttiere3. Fleisch und Fleischerzeugnisse:
Diese Produkte sind nicht reglementiert.4. Verbringungsregelungen für Ausstellungen und Märkte:
Folgenden Regelungen bezüglich der Verbringung von Rindern, Schafen und Ziegen von Auftrieben (Ausstellungen, Märkten und vergleichbaren Veranstaltungen) innerhalb Deutschlands in die Herkunftsbestände wurden beschlossen:
- 4.1. Die Verbringung von Rindern, Schafen oder Ziegen von einem Auftrieb innerhalb Deutschlands in einer nicht BTV-freien Zone in eine BTV-freie Zone bedarf der Genehmigung der für den Bestimmungsort zuständigen Veterinärbehörde.
- 4.2. Die Tiere sind mindestens 14 Tage vor der Verbringung in die BTV-freie Zone durch Insektizide oder Repellents vor Vektorangriffen geschützt worden und wurden während dieses Zeitraums mit Negativbefund einem PCR-Test unterzogen, der an mindestens 14 Tagen nach dem Schutz vor Vektorangriffen entnommenen Proben durchgeführt wurde. Maßgeblich ist die glaubhafte Einhaltung dieser Bedingung. Es kommt hingegen nicht darauf an, dass sich die Tiere während des Zeitraums vor dem Verbringen (max. 28 Tage) kontinuierlich in einer nicht BTV-freien Zone aufgehalten haben.
- 4.3. Rinder, Schafe oder Ziegen die von einem Auftrieb innerhalb Deutschlands aus einer nicht BTV-freien Zone in eine BTV-freie Zone verbracht werden sollen, sind von einer schriftlichen Erklärung zu begleiten, dass sie die o. g. Anforderungen erfüllen.
- 4.4. Am Bestimmungsort, in der BTV-freien Zone, sind von den verbrachten Tieren nach 14 Tagen Proben mittels PCR zu untersuchen. Die Tiere sind bis zum Vorliegen eines negativen PCR-Ergebnisses mit Insektiziden oder Repellents vor Vektorangriffen zu schützen. Weitere Auflagen gemäß Artikel 43 Absatz 2 der DelVO (EU) 2020/689 bleiben unberührt.
- 4.5. Rinder, Schafe und Ziegen dürfen von einem Auftrieb innerhalb Deutschlands aus einer nicht BTV-freien Zone nicht in andere Mitgliedstaaten verbracht werden.
II) Impfung:
Impfempfehlung: In der Stellungnahme wird seitens der StIKo Vet empfohlen, empfängliche Wiederkäuer, die nicht in BTV-3-freien Gebieten sowie angrenzenden Regionen gehalten werden, mit einem der drei Impfstoffe gemäß der BTV-3-Impfgestattungsverordnung zu impfen. Die Impfung der Tiere sollte am besten noch vor dem Beginn der Hauptflugzeit (spätestens ab August 2024) der übertragenden Gnitzen im Sommer erfolgen. Es wird auch zu einer Impfung von empfänglichen Wiederkäuern in Regionen, die geografisch weiter von den aktuell betroffenen Gebieten entfernt sind, geraten. Es gilt zu beachten, dass auch weiterhin ein Risiko eines Eintrages weiterer BTV-Serotypen nach Deutschland gegeben ist. Die StIKo Vet empfiehlt den Tierhaltern weiterhin, ihre Rinder, Schafe und Ziegen gegen BTV-4 und BTV-8 impfen zu lassen.
Praktische Umsetzung: Gemäß der Allgemeinverfügung vom 14.06.2024 zur Impfung von Tieren gegen die Blauzungenkrankheit ist es Tierärztinnen und Tierärzten ab sofort gestattet, Impfungen der im Land Hessen gehaltenen empfänglichen Tiere gegen die Blauzungenkrankheit (BT) mit inaktivierten Impfstoffen durchzuführen. -Tierhalterinnen und Tierhalter haben der für die Tierhaltung zuständigen Veterinärbehörde des Landkreises/der kreisfreien Stadt jede Impfung gegen die Blauzungenkrankheit innerhalb von sieben Tagen nach der Durchführung der Impfung unter Angabe
• der Registriernummer des Betriebes,
• des Datums der Impfung,
• des verwendeten Impfstoffes,
• im Falle von Rindern die Ohrmarkennummern der geimpften Tiere und
• im Falle von anderen Tierarten die Gesamtzahl der geimpften Tiere
schriftlich oder auf elektronischem Weg mitzuteilen.
Im Falle der Impfung von Rindern, Schafen und Ziegen hat diese Meldung innerhalb von 7 Tagen über eine elektronische Erfassung der Impfung in der HIT-Datenbank durch die Tierhalterin/den Tierhalter oder die hierzu bevollmächtigte Tierärztin/den hierzu bevollmächtigten Tierarzt zu erfolgen.
-Die Tierärztin oder der Tierarzt, die oder der die Impfung durchgeführt hat, hat die Anwendung des Impfstoffes in einer Impfliste zu dokumentieren, diese zu unterschreiben und der Tierhalterin oder dem Tierhalter auszuhändigen.
Diese Impfliste muss mindestens folgende Angaben enthalten:
• den Namen und die Praxisanschrift der Impftierärztin oder des Impftierarztes
• den Namen des Tierhalters sowie Registriernummer und Adresse des Impfbestandes
• den verwendeten Impfstoff mit Chargennummer
• das Impfdatum
• die Tierart und –zahl der geimpften Tiere
• die Kennzeichnung der geimpften Tiere
- Die Impfliste ist von den Tierhalterinnen/Tierhaltern mindestens 2 Jahre nach Aushändigung aufzubewahren.
Besonderheiten zur Impfung gegen BTV-3:
Impfstoffe: Seit Inkrafttreten der BTV-3-Impfgestattungsverordnung am 7. Juni 2024 ist die Anwendung dreier gestatteten BTV-3-Impfstoffe möglich: 1.Bultavo 3 der Firma Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH, 2.Bluevac-3 der Firma CZ Vaccines S.A.U. 3.Syvazul BTV 3 der Firma Laboratorios Syva S.A. Dies gilt jedoch nur solange kein immunologisches Tierarzneimittel zugelassen ist.
Innerstaatliche Verbringungen: Mit gestatteten BTV-3-Impfstoffen geimpfte Tiere aus nicht BTV-freien Gebieten dürfen in BTV-freie Zonen nur verbracht werden, wenn sie vor einer Verbringung aus nicht BTV-freien Gebieten in BTV-freie Mitgliedstaaten/BTV-freie Zonen bestimmungsgemäß mittels Repellent vor Vektorangriffen geschützt und mit Negativbefund einem PCR-Test unterzogen worden sein. Eine entsprechende Tierhaltererklärung wurde ausgefüllt (s.o.)
Gültigkeit der Impfung: Sofern eine Grundimmunisierung empfänglicher Tiere mit einem gestatteten BTV-3-Impfstoff in Übereinstimmung mit den Herstellerangaben durchgeführt wurde, wird davon ausgegangen, dass diese nach der Zulassung des fraglichen BTV-3-Impfstoffes gültig ist, vorausgesetzt, die Spezifikationen und Eigenschaften des gestatteten und dann zugelassenen BTV-3-Impfstoffs sind die gleichen (z. B. unveränderte Zusammensetzung und Herstellung). Für den Fall, dass ein anderer BTV-3-Impfstoff als der für eine Grundimmunisierung verwendete gestattete BTV-3-Impfstoff zuerst zugelassen wird, sind aktuell keine Vorhersagen zur weiteren Gültigkeit der Grundimmunisierung möglich.
Innergemeinschaftliche Verbringungen: die Informationen finden Sie unter dem Punkt „Verbringungen in andere Mitgliedstaaten“ s.o.
Hinweis zur PCR-Untersuchung bei geimpften Tieren: Der bisherigen Empfehlung des FLI sollte auch bei BTV-3-Impfungen gefolgt werden, eine Wartezeit von sieben Tagen zwischen der Impfung und einer Blutprobenentnahme für eine PCR-Untersuchung einzuhalten, oder eine solche Probenentnahme ggf. vor einer Impfung durchzuführen, da ansonsten mit positive Ergebnissen (Genomnachweis) zu rechnen ist.
III) Sonstige Schutzmaßnahmen
:
Neben der Impfung kann nur die Empfehlung zum Schutz der Tiere vor den virusübertragenden Gnitzen gegeben werden. Gnitzen fallen vor allem zwischen Abend- und Morgendämmerung Tiere im offenen Gelände an und legen ihre Eier bevorzugt in nassen, mit organischen Stoffen angereicherten Boden, Schlamm oder Mist ab. Um die Tiere bestmöglich vor Angriffen von Gnitzen zu schützen, sollten diese entsprechend der Herstellerangaben mit Repellentien behandelt und wenigstens in der Flugzeit der Gnitzen aufgestallt werden. Mögliche Brutstätten der Gnitzen (z.B. Regentonnen) sollten möglichst entfernt werden.
IV) Hintergrund:
Die Blauzungenkrankheit ist eine anzeigepflichtige, virusbedingte Tierseuche, die von blutsaugenden Mücken der Gattung Culicoides (Gnitzen) auf Schafe, Ziegen, Rinder und auch andere Wiederkäuer sowie Neuweltkameliden übertragen werden kann. Menschen und andere Tiere sind nicht betroffen! Der Verzehr von Fleisch- und Milchprodukten ist unbedenklich. Tierhalterinnen und Tierhalter sollten ihre Bestände genau und aufmerksam beobachten. Erste Krankheits- oder auch Todesfälle sollten immer durch einen Tierarzt/eine Tierärztin abgeklärt werden. Symptome bei Schafen: Fieber bis 42°C, geschwollene Zungen, Fressunlust, Speicheln, lethargisch bis moribundes Verhalten, im weiteren Verlauf Läsionen im Maul und an der Zunge, Todesfälle. Bei Rindern scheinen die klinischen Symptome schwächer ausgeprägt zu sein. Tiere empfänglicher Arten mit Krankheitssymptomen, bei denen eine BTV-Infektion nicht ausgeschlossen werden kann, sollten in der aktuellen Seuchensituation auch auf das Virus der Blauzungenkrankheit getestet werden. Bei Fragen stehen Mitarbeiter des Veterinäramtes Ihnen zur Verfügung. Hinweis: Mit der Einstufung als Seuche der Kategorie C gemäß Verordnung (EU) 2018/1882 hat sich ein Strategiewechsel hinsichtlich der Bekämpfung der Blauzungenkrankheit ergeben, wodurch die behördliche Anordnung einer Tötung eines an BTV erkrankten Tieres entfällt. Eine Tötung für an Blauzungenkrankheit erkrankte Tiere darf nur aus Tierschutzgründen erfolgen, wenn die Krankheitssymptome dies erfordern. Eine Entschädigungspflicht des Landes oder der Hessischen Tierseuchenkasse ergibt sich dadurch nicht. Nähere Informationen zu BTV sind auf der Internetseite des HMUKLV eingestellt und unter dem folgenden Link zugänglich: Link
Eine Übersicht über den BTV-Seuchenfreiheitsstatus in den einzelnen europäischen Ländern sowie weitere Informationen zu BTV, z.B. von den Mitgliedstaaten der EU genehmigte Ausnahmemöglichkeiten von den Verbringungsregelungen, sind auf der Internetseite der EU-Kommission eingestellt und unter dem folgenden Link zugänglich: https://food.ec.europa.eu/animals/animal-diseases/surveillance-eradication-programmes-and-disease-free-status/bluetongue_en