Feierstunde in Schlüchtern erinnert an den Todesmarsch aus den Frankfurter Adlerwerken im März 1945

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20. März 2023 - Mit einer Feierstunde am 27. März 2023 um 16:30 Uhr auf der Kriegsgräber-stätte Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) erinnert der Landesverband Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge an den Todesmarsch von 360 KZ-Häftlingen aus den Frankfurter Adlerwerken. Zur Mitgestaltung eingeladen sind die Stadt Schlüchtern, die Evangelische Kirchengemeinde Schlüchtern und das Ulrich-von-Hutten-Gymnasium. Die Veranstaltung wird durch den Landesvorsitzenden des Volksbundes, Staatsminister a. D. Karl Starzacher, eröffnet. Landrat Thosten Stolz, der Kreisvorsitzender des Volksbundes ist, beschließt die Feierstunde. Für die Republik Polen hat Generalkonsul Jakub Wawrzyniak seine Teilnahme und Mitwirkung zugesagt.

Lange wurde in der Region das Endphaseverbrechen des NS-Regimes im März 1945 verdrängt. Auch auf der Kriegsgräberstätte in Schlüchtern ist der aktuelle Wissensstand zu den dort als »Unbekannte« bestatteten 20 Opfern des Todesmarsches bislang nicht zugänglich. Die neue Informationstafel des Volksbundes soll diese Lücke schließen. Sie ersetzt die Tafel des Jahres 2003. Die Feierstunde ist öffentlich, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Weitergehende Informationen:Todesmarsch zog mitten durch Schlüchtern
Die neue Informationstafel wurde im historischen Forschungsprojekt des Volksbunds in Hessen erarbeitet. Für ihre Übergabe an die Öffentlichkeit hat der Landesverband bewusst den 27. März als Datum gewählt: An diesem Tag im März 1945 zog die Kolonne der KZ-Häftlinge mitten durch Schlüchtern. »Mit der Wahl des Datums möchten wir die Präsentation unserer Forschungsergebnisse zur Geschichte der zentralen Kriegsgräberstätte im Main-Kinzig-Kreis mit einem würdigen Gedenken an die Opfer des Todesmarsches verbinden«, sagt Viola Krause, Landesgeschäftsführerin des Volksbundes in Hessen.

Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion
Seit August 1944 leisteten mehr als 1.600 KZ-Häftlinge Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion der Frankfurter Adlerwerke, die meisten von ihnen Polen. Nach dem Warschauer Aufstand von 1944 waren sie in deutsche Konzentrationslager verschleppt worden. Als US-Truppen sich Frankfurt näherten, zwangen die KZ-Wachen 360 Häftlinge, die sich noch in ihrer Gewalt befanden, zu einem Evakuierungsmarsch nach Osten.

Über 70 Morde zwischen Frankfurt und Hünfeld
Wer zu fliehen versuchte oder Anzeichen von Schwäche zeigte, wurde von den SS-Männern erschossen. Nach fünf Tagen erreichten die Gefangenen Hünfeld, von wo sie ein Zug ins KZ Buchenwald brachte. Auf der 130 Kilometer langen Marschstrecke zwischen Frankfurt und Hünfeld waren über 70 Männer ermordet worden.

Umbettung auf die Kriegsgräberstätte Schlüchtern
Die Toten wurden am Straßenrand zurückgelassen und später als »Unbekannte« auf Gemeindefriedhöfen begraben oder auch nur an Ort und Stelle verscharrt. Als Anfang der 1960er Jahre die Kriegsgräberstätte Schlüchtern angelegt wurde, bettete der Volksbund auch 20 dieser unbekannten Opfer des Todesmarsches dorthin um – zusammen mit mehr als 300 anderen Toten des Zweiten Weltkriegs.

Gräber nicht eindeutig oder falsch gekennzeichnet
Allerdings sind die Gräber der Opfer des Todesmarsches in Schlüchtern nicht als solche gekennzeichnet, sondern lediglich mit den Aufschriften »unbekannter Kriegstoter« oder »unbekannter polnischer Kriegstoter« versehen. Während auf einer ersten Informationstafel des Volksbunds von 2003 zudem nur sechs auf der Kriegsgräberstätte bestattete Opfer des Verbrechens erwähnt wurden, ist nach neueren Erkenntnissen von einer mehr als dreimal größeren Gesamtzahl auszugehen. Dies betrifft unter anderem eine Gruppe von Toten, die als »unbekannte deutsche Soldaten« in Schlüchtern beigesetzt wurden, obwohl sie nach heutigem Wissensstand aller Wahrscheinlichkeit nach Opfer des Todesmarsches waren.