Vielen Menschen ist die eigene Diabetes-Erkrankung nicht bekannt

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4. November 2022. - Anlässlich des Weltdiabetestags am 14. November weist das Amt für Gesundheit und Gefahrenabwehr auf die Chancen der Prävention hin. Das Verstehen der Zusammenhänge und eine schnelle Reaktion können den Krankheitsverlauf von Diabetes Typ 2 sehr positiv beeinflussen. In Deutschland leiden mehr als acht Millionen Menschen an Diabetes, sodass Experten von einer Volkskrankheit sprechen. Die Forschungseinrichtung Deutsches Diabetes-Zentrum rechnet damit, dass im Jahr 2040 bis zu zwölf Millionen Menschen betroffen sein werden.

Diabetes mellitus ist ein Überbegriff für Stoffwechselerkrankungen, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führen. Die Patienten haben einen Mangel am Hormon Insulin oder das Insulin wirkt nicht mehr richtig. Die beiden Hauptformen sind Diabetes 1 und 2 (Infokasten), wobei mehr als 90 Prozent an Typ 2 leiden, der meist erst in einem höheren Alter eintritt. Wird der Diabetes nicht behandelt, sind die Blutzuckerwerte dauerhaft erhöht. Weil ein hoher Blutzucker keine Schmerzen verursacht, wird die Krankheit oft nicht erkannt. Laut Robert Koch Institut (RKI) weiß eine von fünf Personen mit Diabetes nicht, dass sie erkrankt ist. „Die Gefahren des Diabetes und seine Folgen werden oft unterschätzt. Bereits geringfügig erhöhte Blutzuckerwerte können zu gefährlichen körperlichen Veränderungen führen“, betont Dr. Wolfgang Lenz, Leiter des Amts für Gesundheit und Gefahrenabwehr. Denn Diabetes Typ 2 ist eine fortschreitende Erkrankung, deren Spätfolgen beinahe jeden Bereich des Körpers betreffen können. Ohne dass die Betroffenen es merken, kann es zu Schädigungen an wichtigen Organen kommen. „Daher ist eine frühe Erkennung essenziell“, erklärt Dr. Lenz und fügt hinzu: „Vielen fällt es schwer, Medikamente zu nehmen, wenn sie sich nicht krank fühlen und die Wirkung der Medikamente nicht unmittelbar spüren – das ist jedoch fatal. Je früher man reagiert, desto besser wirken die Maßnahmen und man kann Schlimmeres verhindern.“

Etwa zwei Drittel aller Diabetiker sterben vorzeitig an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Typische Anzeichen für einen hohen Blutzuckerspiegel sind starker Durst, vermehrter Harndrang, Müdigkeit, Schwindel oder Übelkeit. Ist der Blutzuckerspiegel sehr stark erhöht, kann es zu Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Beim kostenlosen Check-up der gesetzlichen Krankenkassen können die Blutwerte auf Diabetes überprüft werden. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts nehmen 50 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten dieses Angebot wahr. „Wir wollen heute explizit die anderen 50 Prozent dazu ermutigen, diese Untersuchung zu machen“, erklärt Wolfgang Lenz und ermutigt: „Die große Chance bei Diabetes Typ 2 besteht darin, dass Patienten den Erkrankungsverlauf positiv beeinflussen können.“ Genauso bedeutend sei es, es gar nicht erst zum Ausbruch von Diabetes Typ 2 kommen zu lassen.

Zur Vorbeugung gehört insbesondere, hohes Übergewicht zu vermeiden, da Übergewicht die Insulinempfindlichkeit in den Muskeln, der Leber und im Fettgewebe verringern kann. „Ein weiterer Faktor zur Bestimmung des Diabetesrisikos ist der Bauchumfang, da dieses Viszeralfett erheblich mehr Entzündungsbotenstoffe aussendet als Fett an beispielsweise den Oberschenkeln“, erläutert Dr. Lenz. Ein erhöhter Bauchumfang (bei Frauen über 80 Zentimeter, bei Männern über 94 Zentimeter) gilt als wichtiger Risikofaktor, auch für eine koronare Herzkrankheit oder Schlaganfall. „Mindestens täglich 30 Minuten an körperlicher Aktivität sollte man in seinen Alltag integrieren“, rät Wolfgang Lenz. Je mehr Muskeln dabei moderat bewegt werden, umso besser. Dazu kann das Treppensteigen gehören, ein kleiner Spaziergang nach dem Essen oder auf einer Nahverkehrsfahrt eine Station früher aussteigen. Weitere beeinflussbare Risikofaktoren sind unter anderem Rauchen und Alkoholkonsum sowie eine ungesunde (ballaststoffarme, fett- und zuckerreiche) Ernährung.

Derzeit läuft am RKI ein Forschungsprojekt zum Aufbau einer nationalen Diabetes-Surveillance. „Surveillance“ steht für eine kontinuierliche Erhebung und Analyse von gesundheitsbezogenen Daten, etwa zu Komplikationen oder Verhaltensweisen. Die regelmäßige Berichterstattung zur Krankheitsdynamik soll als Entscheidungshilfe dienen, um die Prävention und Krankenversorgung zu verbessern. Wegen der stetig zunehmenden Anzahl an Diabetes-Erkrankten hält das Forscherteam des Deutschen Diabetes-Zentrums und des RKI mehr Expertenschulungen sowie die Einrichtung spezialisierter Zentren für sinnvoll.

Diabetes Typ 1 und Typ 2

Typ 1 beginnt meist im Kindes- oder Jugendalter: Das eigene Immunsystem greift die Betazellen der Bauchspeicheldrüse an, die für die Herstellung von Insulin zuständig sind. Werden die Zellen über Jahre geschädigt, kann der Körper nicht mehr ausreichend oder gar kein Insulin mehr herstellen. Ohne Insulin kann der Körper keine Nahrung verwerten. Um Folgeerkrankungen zu vermeiden, müssen Patienten ihr Leben lang Insulin spritzen. Diabetes Typ 1 ist nicht heilbar, die Ursache dieser Autoimmunerkrankung ist nicht vollständig geklärt. In einigen Familien tritt Typ-1-Diabetes gehäuft auf, eine genetische Veranlagung erhöht das Erkrankungsrisiko.

Typ 2 beginnt meist schleichend und überwiegend nach dem 40. Lebensjahr. Neben einer erblichen Veranlagung gelten Übergewicht und Bewegungsmangel als wichtigste Verursacher. Die Körperzellen können Insulin immer schlechter aufnehmen. Zum einen, weil sie immer unempfindlicher für Insulin geworden sind (Insulinresistenz) und zum anderen führt eine jahrelange Überproduktion von Insulin dazu, dass die Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreichend Insulin liefern kann. Dadurch steigt der Zuckerspiegel im Blut an. Dieser schädigt die Gefäßwände, es kommt zu Ablagerungen, die den Blutfluss zunehmend einschränken. Dies erhöht das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsprobleme in Beinen und Füßen um das Zwei- bis Vierfache. Auch die kleinen Blutgefäße der Augen, Nerven und Nieren können Schaden nehmen. Dadurch kann es zu einer allmählich abnehmenden Sehkraft, Empfindungsstörungen, Nierenschäden oder Sexualstörungen kommen. Zur Verbesserung des Zustands kann es ausreichen, die Ernährung umzustellen, abzunehmen und sich mehr zu bewegen. Erst, wenn diese Maßnahmen und Medikamente nicht helfen, spritzen auch Typ-2-Diabetiker Insulin.

Wofür braucht man Insulin?

Während der Verdauung werden Kohlenhydrate in Glukose umgewandelt und ins Blut abgegeben. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel an. Die Bauchspeicheldrüse wird angeregt, das Hormon Insulin zu produzieren. Insulin sorgt dafür, dass die Glukose in den Zellen der Organe und des Gewebes aufgenommen und als Energie verarbeitet werden kann. Man sagt auch, dass Insulin wie ein Schlüssel wirkt, der über Insulinrezeptoren die Zellen für die Glukose „aufschließt“. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel wieder. Ohne ausreichend Insulin kann der Körper die Nahrung nicht richtig aufnehmen. Bei Diabetes Typ 2 ist das Hormon Insulin immer weniger in der Lage, den Zucker aus dem Blut in die Zellen einzuschleusen. Die Glukose bleibt im Blut, der Blutzuckerspiegel ist erhöht. Die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf mit einer ständigen Mehrproduktion an Insulin, bis sie nach vielen Jahren der Überproduktion den Prozess nicht mehr bewältigt.

Weitere Informationen

www.diabetesde.org vom Verein Deutsche Diabetes-Hilfe: Broschüren, Checklisten, Diabetes-Lexikon, Gesundheitspass, Expertenchat, Telefonsprechstunde, Buch-Tipps

www.menschen-mit-diabetes.de vom Verband Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes: Selbsthilfegruppen, für Verbandsmitglieder Rechtsberatung mit Bezug zu Diabetes, Sozial-, Versicherungs- und Ernährungsberatung, Broschüren, Tipps für den Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis.

www.ddz.de der Forschungseinrichtung Deutsches Diabetes-Zentrum: Im „Diabetes-Cockpit“ erfährt man nach Eingabe seiner Werte für Größe, Gewicht, Blutdruck und Blutzucker, wie hoch das persönliche Risiko ist, an Diabetes Typ 2 zu erkranken.