Gesucht: Bessere Temporegeln für alle Verkehrsteilnehmer

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Nördlich von Marjoß sammelten vor wenigen Tagen Motorradfahrerinnen und –fahrer Praxisdaten, die die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erhöhen soll.

29. August 2022 - Seit 20 Jahren gilt auf einem Teilabschnitt der Landstraße 3196 in Steinau eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 Stundenkilometern, und zwar ausschließlich für Krafträder. Diese Tempobegrenzung führt, vermehrt in der Saison von März bis Oktober, also der „Motorradsaison“, zu teilweise gefährlichen Situationen zwischen zweirädrigen und mehrspurigen Fahrzeugen. Motorradfahrerinnen und -fahrer werden mitunter durch dicht auffahrende Pkw in Gefahr gebracht; umgekehrt werden die Fahrerinnen und Fahrer von mehrspurigen Fahrzeugen zu gefährlichen Überholmanövern verleitet. Ein Verkehrsversuch, der vor wenigen Tagen stattgefunden hat, soll für die Verkehrsbehörde des Main-Kinzig-Kreises, das Regierungspräsidium Darmstadt, die Polizei sowie die Landesbehörde HessenMobil nun dazu dienen, die Regelungen auf der Strecke zu überprüfen.

„Es muss oberstes Gebot bleiben, schwere Motorradunfälle zu verhindern“, erklärte Timo Jacob-da Rosa, Leiter der Verkehrsbehörde des Kreises. „Der wichtigste Aspekt in unserem Verkehrsversuch war daher, eine für alle geltende sichere Höchstgeschwindigkeit und möglicherweise eine andere Streckenausstattung auf diesem Teilstück zu finden.“

Für den Verkehrsversuch fand unter anderem eine Berechnung der Durchschnittsgeschwindigkeit statt, technisch gestützt durch verschiedene mobile Messstationen. Einzelne Kurven oder Kurvenabfolgen wurden individuell ausgenommen; die Durchschnittsgeschwindigkeit wurde nur auf den Zwischenstücken gemessen. Statt der derzeit 60 Stundenkilometer ist im Verkehrsversuch – abhängig vom jeweiligen Teilstreckenabschnitt – eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern dabei grundsätzlich zulässig gewesen.

Unterstützung erhielten die Verkehrsbehörden von der „Rennleitung#110“ um Ricky Lowag (Vorsitzender) und David Frey (Regionalleitung Hessen), einem privaten Präventionsprojekt motorradfahrender Polizistinnen und Polizisten. Sie gehörten zu den Fahrerinnen und Fahrer im Verkehrsversuch. Die „Rennleitung#110“ half zudem im organisatorischen und fachlichen Bereich. Weitere Personen konnten sich in den vergangenen Wochen ebenfalls bewerben, so dass unter den rund 25 teilnehmenden Fahrerinnen und Fahrern ein breites Spektrum an fahrerischem Können sowie fahrzeugtechnischer Ausstattung im Pool an „Probanden“ zu finden war.

„Für die Kolleginnen und Kollegen auf den Maschinen ist es ein wichtiges Anliegen, an diesem Versuch mitzuwirken. Sie helfen immer wieder gerne in ihrer Freizeit, das Fahren insgesamt sicherer zu machen, also im Sinne jedes einzelnen Fahrenden wie auch für die Reduzierung von Unfällen generell. Dieser Teilabschnitt im Bergwinkel ist ein gutes Beispiel, wo die Rennleitung#110 konkret fachlich helfen kann, und ich bin den Beamtinnen und Beamten dafür sehr dankbar“, sagte Martin Bendel, Polizeihauptkommissar im Polizeipräsidium Südosthessen. Die Polizei ist auch mit eigenem Equipment und Personal an den Messungen entlang der Strecke beteiligt.

Für sämtliche Behörden ist es eine nicht ganz alltägliche Streckenbefahrung gewesen. Genauso besonders wird die Auswertung. Sie erfolgt in den kommenden Wochen auf Fachebene vor allem zwischen der Verkehrsbehörde des Kreises, der Polizei und HessenMobil. Es wird um die ermittelten Zeiten und Geschwindigkeiten auf den einzelnen Teilstrecken ebenso gehen wie um die individuellen Einschätzungen des Fahrpersonals. Die Beteiligten haben sich daher kein strenges Zeitfenster gegeben, bis sie mögliche Empfehlungen für neue Geschwindigkeitsregelungen oder bauliche Maßnahmen auf der Strecke geben. Im Herbst soll der wesentliche Teil der Auswertung jedoch erfolgt sein, so dass die Veränderungen rechtzeitig vor der nächsten „Motorradsaison“ angestoßen werden können.

Aufgrund der außergewöhnlichen Versuchsanordnung schaute auch das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt am Samstag gespannt auf den Verkehrsversuch. Mitarbeiter der zuständigen Fachaufsicht des Landes über die unteren Straßenverkehrsbehörden waren persönlich vor Ort. „Bei Verkehrsversuchen steht immer die Frage an erster Stelle: Wie erhöhen wir die Verkehrssicherheit? Wenn Verwaltung, Polizei und Verkehrsteilnehmer ganz praktisch und an Ort und Stelle gemeinsam an der Lösung arbeiten, dann ist das eine gute Sache“, fand Manfred Pühler.

Timo Jacob-da Rosa richtete einen Dank an alle Mitwirkenden des Verkehrsversuchs am Teilabschnitt „Bergwinkel“. „Wir sind zehn Stunden lang auf und an der Strecke, viele davon rein ehrenamtlich und aus innerer Überzeugung. Das ist wirklich aller Ehren wert und verdient Anerkennung“, so Jacob-da Rosa.