„Unser Dorf hat Zukunft"

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23.05.2022. - Die Zwischenergebnisse für den 37. Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ in Hessen stehen fest. 13 Dörfer aus drei Landkreisen nahmen am Regionalentscheid teil. Aus dem Main-Kinzig-Kreis waren es die Orte Brachttal-Streitberg, Steinau-Ulmbach, Steinau-Sarrod und Schlüchtern-Wallroth. Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz ist Brachttal-Streitberg nach Waldeck-Freienhagen (Landkreis Waldeck-Frankenberg) auf dem zweiten Platz gelandet. Die achtköpfige Bewertungskommission entsendet beide Orte in den Landesentscheid. Schlüchtern-Wallroth konnte den dritten Platz für sich entscheiden. Mit einem Sonderpreis des hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für herausragende Projekte in Höhe von 250 Euro wurde Steinau-Ulmbach für sein soziales Engagement und kulturelle Aktivitäten im Bereich der Flüchtlingshilfe gewürdigt. Der Landkreis Waldeck-Frankenberg war mit 8 Orten vertreten, der Hochtaunuskreis mit einem Ort.

„Alle teilnehmenden Dörfer haben sich von ihrer besten Seite gezeigt und es der Bewertungskommission schwer gemacht. Vor allem wurde eines deutlich: Unsere Dörfer sind lebendige Ortschaften, in denen viel angepackt und bewegt wird. Politik kann hier die Rahmenbedingungen verbessern, aber der Inhalt kommt immer von den Menschen, die dort leben. Deshalb beglückwünsche ich alle teilnehmenden Dörfer und wünsche Brachttal-Streitberg eine gute Platzierung beim Landesentscheid“, erklärt Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler. Sie bedankt sich bei allen teilnehmenden Dörfern für das große Engagement und die Bereitschaft, sich im Wettbewerb zu präsentieren.

„Die Orte, die sich für eine Teilnahme entschlossen haben, sind alle Sieger, denn dort sind aktive Bürgerinnen und Bürger, die sich mit der Gestaltung und der Zukunft ihres Lebensumfeldes beschäftigen“, fasst Sigrid Göbel, Leiterin der Bewertungskommission vom Fachdienst Dorf- und Regionalentwicklung des Landkreises Waldeck-Frankenberg, zusammen.

Mit Begeisterung und Stolz habe die Bevölkerung die Dörfer präsentiert: Karten, Broschüren und Vorträge – auch in Mundart - wurden erarbeitet, viele Projekte wurden erläutert, Darbietungen und regionaltypische Kostproben rundeten das harmonische Gesamtbild ab. Die Bewertung war nicht leicht, sie wurde zusätzlich durch die unterschiedlichen Ausgangslagen der Dörfer erschwert: Der kleinste teilnehmende Ort Vöhl-Asel (211 Einwohner, davon allein 100 im Seniorenheim) musste sich mit dem 1.537 Einwohner zählenden Steinau-Ulmbach messen lassen, Siegerorte der Vergangenheit wie Vöhl-Basdorf wurden mit Neulingen wie Schlüchtern-Wallroth, Usingen-Kransberg oder Lichtenfels-Rhadern verglichen.

Deutlich wurde, dass die Einwohner und Einwohnerinnen sich in überwältigender Weise für ihren Ort engagieren. Themen wie Verlust von Infrastruktur, Netzwerkbildungen, Klimaschutz, Mobilität oder Leerstand wurden genauso diskutiert wie gemeinschaftliches Handeln der unterschiedlichen Altersgruppen und Vereine, das Bewahren von Traditionen, um Möglichkeiten zur Steigerung der Lebensqualität zu finden. Die Orte überraschten mit kreativen Ideen: Der Kommission wurden zahlreiche Beispiele zur Belebung ehemals leerstehender Gebäude gezeigt, Dorf-Bewohner und –Bewohnerinnen übernahmen Initiativen zur Veräußerung von Gebäuden, Neubürger, Rückkehrer sowie Flüchtlinge wurden herzlich aufgenommen und durch persönliche Ansprache oder Übergabe einer „Neubürger-Broschüre“ begrüßt, Innenentwicklung und Stärkung dörflicher Strukturen standen im Fokus.

„Durch den Wettbewerb mit dem enormen bürgerschaftlichen ehrenamtlichen Einsatz erfährt die bauliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung eines Ortes neuen Schwung, wir wissen dies zu schätzen“ - so lobten auch die mitreisenden kommunalen Vertreterinnen und Vertreterinnen ihre Orte. „Irgendetwas wird immer in Gang gebracht, wir nutzen den Wettbewerb, um alle Gruppierungen des Dorfes an einen Tisch zu holen, um gemeinsam über mögliche Projekte zu diskutieren, die unsere Heimat zukunftsfähig machen können“ – war die Einschätzung in den teilnehmenden Orten.

„Es ist sehr beeindruckend, was die Orte gemeinsam alles auf die Beine gestellt haben und welch großes Potential im ländlichen Raum vorhanden ist“ – so fasst die Kommission den diesjährigen Wettbewerb zusammen. Um dieses Engagement zusätzlich zu den Preisgeldern zu unterstützen, erhält jeder Ort eine Prämie in Höhe von 500 Euro seitens der zuständigen Landkreise.

Die Entscheidung der Rangfolge fiel schwer: „Uns rauchten am Entscheidungstag die Köpfe, wir mussten öfters die Dorf-Fragebögen und Fotos der Bereisungen zu Hilfe nehmen, es war ein langer Prozess“, so berichtet Göbel. „Das Ergebnis war denkbar knapp, häufiger wurden identische Punktzahlen vergeben, die beiden Siegerorte differieren um nur 0,5 Punkte!“

Die ersten fünf Plätze:

  • 1. Waldeck-Freienhagen, Landkreis (Waldeck-Frankenberg (5.000 Euro Preisgeld)
  • 2. Brachttal-Streitberg (4.000 Euro Preisgeld)
  • 3. Schlüchtern-Wallroth (3.000 Euro Preisgeld)
  • 4. Frankenberg-Geismar (Landkreis Waldeck-Frankenberg (2.000 Euro Preisgeld)
  • 5. Vöhl-Basdorf (Landkreis Waldeck-Frankenberg (1.000 Euro Preisgeld)

Der 230 Einwohner zählende Ort Brachttal-Streitberg konnte die Kommission durch seine rege Nachbarschaftshilfe überzeugen: Die Handlungsmaxime „Wenn der Nachbar Hilfe benötigt, unterbreche Deine eigene Arbeit und eile dorthin“ wird zu jeder Zeit in dem 230 Seelen zählenden Ortsteil von Brachttal aktiv gelebt. Ein mit dem Bürgerpreis der Kommune geehrtes Orga-Team koordiniert zahlreiche Maßnahmen im Dorf. Schnelle Hilfe in allen Lebenslagen erhalten Streitberger über ihren „Ortsfunk“. Der läuft über die WhatsApp-Gruppe „Nebenan“, in der mindestens eine Person aus jedem Haushalt angeschlossen ist (70 Mitglieder).

Traditionell erhaltene Hausnamen werden auch für Neubürger durch die Nachbarschaft vergeben, im gleichen Zuge wird jedem Hauseigentümer ein Mentor zugeordnet. Die Landfrauen präsentierten beim Rundgang die „Milchrampe“ in einem Vorgarten. Zu Zeiten der pandemiebedingten Einschränkungen traf man sich dort zum gemeinsamen Musizieren, auch Hofkonzerte mit „Liedern der Hoffnung“ wurden eingeführt und beibehalten. Zahlreiche weitere Projekte werden von den Vereinen initiiert. Das angelaufene Leerstandsmanagement „Jung kauft Alt“ wird mit Erfolg von der Dorfgemeinschaft unterstützt. Im Rahmen des Ortsrundgangs wurden private Gebäudesanierungen in Augenschein genommen, die einen behutsamen und sensiblen Umgang mit der historischen Bausubstanz belegen, die öffentlich genutzten Gebäude stehen dem in nichts nach.

Natur- und Artenschutz spielen eine übergeordnete Rolle. Streitberg besticht durch eine Vielzahl großer Hofbäume, die das Ortsbild prägen. Der vorhandene Baumbestand wird kontinuierlich durch Neupflanzungen sowohl auf öffentlichen als auch auf privaten Grundstücken ergänzt. Neben Rabatten an den Straßen, einem begrünten Dach auf dem mit viel Eigenleistung erbauten Dorfgemeinschaftshaus und regionaltypischer Begrünung rundum – setzt die Dorfgemeinschaft gute Maßstäbe, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Auf Basis einer Befragung wollen die Streitberger Wünsche ermitteln und analysieren, wie die Zukunft des Heimatortes gestaltet werden kann. Dazu sind schon zahlreiche konkrete Ziele auf kurz-, mittel- und langfristiger Sicht realistisch beschrieben. Trotz der geringen Einwohnerzahl werden Zukunftsthemen mit „großem Stil und Elan“ angegangen.

Sonderpreis für soziales Engagement und kulturelle Aktivitäten

Steinau-Ulmbach erhält einen Sonderpreis für soziales Engagement und kulturelle Aktivitäten für die Um- und Weiternutzung des ehemaligen Nahkauf-Ladens zur „Flüchtlings-Oase“. Dort wurde ehrenamtlich ein multifunktionales Zentrum mit angegliederter Kleiderkammer sowie ein Café-Treffpunkt, Sprach-Unterricht für Flüchtlinge und Personen mit Migrationshintergrund eingerichtet.