„Gewalt darf kein Tabuthema sein“

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Unser Bild zeigt Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler (links) mit Grit Ciani, Frauenbeauftragte des Main-Kinzig-Kreises mit der Fahne, die unter dem Motto „Frei leben ohne Gewalt“ am Kino „Pali“ in Gelnhausen auf den Aktionstag aufmerksam macht.

09.12.2020. - Zum Internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen fand eine Fahnenaktion vor dem Pali-Kino in Gelnhausen statt. Die Fahnen machen unter dem Motto „Frei leben ohne Gewalt“ auf dieses wichtige gesellschaftliche Thema aufmerksam. „Gewalt darf kein Tabuthema sein, deshalb möchten wir auch in diesem Jahr, das durch die Corona-Pandemie stark geprägt war, zum Hinsehen und Handeln auffordern“, erklärt Susanne Simmler, Erste Kreisbeigeordnete und Schirmherrin des Aktionstages. „Obwohl das öffentliche Leben wegen der Kontaktbeschränkungen nicht wie gewohnt verläuft, sollen die von Gewalt betroffenen Frauen wissen, dass die Beratungs-und Hilfeangebote im Main-Kinzig-Kreis uneingeschränkt offen stehen“, betont Susanne Simmler.

Das sei gerade deshalb von großer Bedeutung, weil das Risiko für Frauen, in den eigenen vier Wänden Opfer von häuslicher Gewalt zu werden, durch die Pandemie steige. „Das gemeinsame Leben auf engem Raum, Existenzängste und Kontakteinschränkungen – all das kann dazu führen, dass sich Frust anstaut, der sich dann in gewalttätigen Handlungen gegenüber Frauen und Kindern entlädt“, erläutert Susanne Simmler. Die Erfahrung aus dem ersten Lockdown im Frühjahr habe zudem gezeigt, dass Betroffene große Hemmungen haben, sich an die Beratungsstellen zu wenden. „Sie brauchen gerade jetzt umso mehr Hilfe und Kontakt aus ihrem Umfeld. Deshalb wollen wir die Menschen sensibilisieren und zum Hinschauen auffordern“, so Susanne Simmler weiter.

Um dieses wichtige Thema trotz der Kontakteinschränkungen in die Öffentlichkeit zu rücken, hat sich Grit Ciani, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte des Main-Kinzig-Kreises, gemeinsam mit dem Organisationsteam, den Frauenhäusern Wächtersbach und Hanau, der Frauenbeauftragten der Stadt Gelnhausen, dem Polizeipräsidium Südosthessen und der schulpsychologischen Beratung beim Staatlichen Schulamt eine Alternative zum sonst üblichen Programm mit vielen Schülerinnen und Schülern im Kinosaal des „Pali“ überlegt: Ein Videofilm, welcher über die sozialen Netzwerke des Main-Kinzig-Kreises sowie auf den Webseiten der beteiligten Partnerinnen und Partner veröffentlicht wird, soll das Augenmerk auf diesen wichtigen Aktionstag lenken. Ziel sei es, auch über die Aktionswoche hinaus die konkreten Anlaufstellen im Kreis bekannt zu machen, Hürden zu nehmen und eine breite Öffentlichkeit zu informieren, erklärt Grit Ciani.

Zum Videofilm (auf youTube)

„Wir erhoffen uns, dass durch den Videofilm zahlreiche Menschen erreicht werden“, erklärt Grit Ciani. Denn häusliche Gewalt sei viel verbreiteter, als viele Menschen vermuten. Dabei sei körperliche Gewalt in Form von Schlägen lediglich eine von vielen Facetten. Betroffene seien häufig auch psychischer Gewalt wie Demütigungen, Drohungen, Einschüchterungen, sozialer Isolation oder wirtschaftlichem Druck durch den Täter oder die Täterin ausgesetzt. Zu wenig beachtet werde Gewalt gegenüber älteren Menschen. Dabei sei gerade von älteren Frauen bekannt, dass diese häufig mit großer Scham reagieren, wenn sie häuslicher Gewalt ausgesetzt seien. Ein wichtiges Ziel sei es, gerade im ländlichen Raum stärker auf die Hilfsangebote aufmerksam zu machen, damit der Ausstieg aus dieser gewalttätigen Situation gelinge.

Häusliche Gewalt ist in Deutschland erschreckende Realität. Rund jede vierte Frau erlebt mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und oder sexualisierte Gewalt durch einen Beziehungspartner. Durchschnittlich jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten, jeder dritte Versuch endet tödlich. Deshalb lautet der dringende Appell: Hinsehen statt wegschauen. „Hier sind insbesondere Mitmenschen gefragt, die Anzeichen zu bemerken. Sie können die betroffene Person entweder darauf ansprechen, Begleitung und Unterstützung anbieten, sich aber auch an die Beratungsstellen wie zum Beispiel die Frauenhäuser wenden. Bei akuter Gefahr ist es immer richtig, die Polizei zu informieren“, erklärt Susanne Simmler.

Ein wichtiger Aspekt bei der Aufklärungsarbeit liegt auf der jungen Generation, deshalb werden die Schülerinnen und Schüler während der Aktionswoche ebenfalls angesprochen, um die Grundrechte für ein gewaltfreies Leben zu thematisieren. Dabei geht es auch um Rollenbilder und die Frage, wo Gewalt anfängt. Das soll dazu beitragen, dass sich destruktive Rollenbilder gar nicht erst in den Köpfen verfestigen. Jugendliche sollen gleichzeitig dazu ermutigt werden, Grenzen zu ziehen und früh zu erkennen, welche Formen von Gewalt es gibt, damit sie sich davor schützen können. Hier helfen auch die Schulpsychologen in vertrauensvollen Gesprächen weiter. Es gibt auch spezielle Hilfsangebote für Täterinnen und Täter, um aus der Spirale der Gewalt auszusteigen.

Ein besonderer Dank gilt dem Team von jungen und kreativen Auszubildenden der kreiseigenen Gesellschaft für Arbeit, Qualifizierung und Ausbildung (AQA), die das Video vor dem Kino „Pali“ in Gelnhausen gedreht haben und Kinobetreiber Stephan Schneevogl, der stets die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt.

Folgende Hilfsangebote gibt es:
Bundesweites Hilfetelefon: (08000) 116 016, www.hilfetelefon.de
www.staerker-als-gewalt.de
Polizei: 110
Frauenhaus Wächtersbach: (06053) 4987
Beratungsstelle Wächtersbach: (06053) 708757, www.frauenhaus-waechtersbach.de
Frauenhaus Hanau: (06181) 12575
Beratungsstelle Hanau: (06181) 1897664, www.frauenhaus-hanau.de
Referat für Frauenfragen und Chancengleichheit des Main-Kinzig-Kreises: (06051) 8512316, www.mkk.de
Die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Städte und Gemeinden
Schulpsychologie des Staatlichen Schulamtes: (06181) 9062-0