Eine außergewöhnliche Frau und ihr lebenslanger Kampf um die Rechte von Frauen

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Unser Bild zeigt Ilse Werder im Jahr 2018 bei der Vorstellung ihres letzten Buches „Neues von gestern - Frisches für morgen“.

27.03.2023. - Feministin, Gewerkschafterin, Journalistin, Autorin, Pazifistin und Kulturschaffende – all diese Begriffe stehen für eine Frau, die sich bis ins hohe Alter hinein für jenes Thema engagiert hat, das sich wie ein leuchtend roter Faden durch ihre Biografie zog: das Leben und die Arbeit von Frauen in unserer Gesellschaft, in unserer Region, sichtbar zu machen und sich gleichzeitig für die Rechte von Frauen einzusetzen. Zum Tod von Ilse Werder würdigt die Kreisspitze um Landrat Thorsten Stolz und Erster Kreisbeigeordneter Susanne Simmler die engagierte Frauenrechtlerin, die ihre letzten Lebensjahre in Hanau verbrachte, wo sie im Alter von 97 Jahren starb.

„Mit Ilse Werder verliert der Main-Kinzig-Kreis eine beeindruckende Persönlichkeit, die sich mit großer Kraft und meinungsstark für die Rechte von Frauen eingesetzt hat. Sie war in ihrem unermüdlichen Wirken und in ihrer Beharrlichkeit anderen ein großes Vorbild und hat die Frauenbewegung im Main-Kinzig-Kreis stark mitgeprägt. Ohne sie würde es das Archiv Frauenleben im Main-Kinzig-Kreis nicht geben“, erklärt Thorsten Stolz. Ilse Werder hatte das Archiv Frauenleben, das vom Main-Kinzig-Kreis mitgetragen wird, 1990 begründet und war seit 2006 Ehrenvorsitzende. Der Archivbestand enthält weit mehr als 100.000 Zeitungsartikel und mehr als 4000 Bücher, die von Ilse Werder und den Archivmitgliedern im Lauf der Jahrzehnte zusammengetragen wurden. Mit dem Archiv publizierte sie mehrere Bücher, in denen es um Frauen und ihr Wirken geht. „Damit gelang es ihr, regionale Geschichte direkt mit den realen Schicksalen von Frauen aus der Region zu verknüpfen und die damalige Lebensrealität dieser Frauen zu beleuchten“, so Landrat Thorsten Stolz. Ilse Werder trat Zeit ihres Lebens für Emanzipation und Gleichberechtigung ein und war Mitbegründerin des Hanauer Frauenhauses.

„Ilse Werder war einer jener Menschen, denen es leicht fiel, andere für eine Sache und eine Idee zu begeistern, sie entwickelte dabei eine starke Zugkraft. Es war eine Freude, mit dieser humorvollen Frau über gesellschaftspolitische Themen zu sprechen. Das gilt erst recht, da unser gemeinsames Herzensthema immer die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft war und hier noch so vieles zu tun ist. Als langjährige Journalistin war sie bis zuletzt stets sehr gut über das Zeitgeschehen informiert und wusste, dass es beim Thema Gleichberechtigung nur mit klarer, deutlicher Sprache geht“, sagt Susanne Simmler über die 1925 in Kassel geborene Ilse Werder.

Ilse Werder trat – politisiert durch die Erfahrungen in der NS-Zeit und den Krieg, bereits 1951 in die SPD ein. Ihre Schwerpunkte fand sie im Bereich Soziales, der Friedens- und der Frauenpolitik. Sie setzte ihre Ideen und Projekte mit viel Herzblut und großem Sachverstand um. Schließlich wusste die alleinerziehende vierfache Mutter aus eigenem Erleben, wie schwierig die Lebensverhältnisse für Frauen in dieser Zeit waren. Ilse Werder wurde von der SPD mit der höchsten Auszeichnung, der Willy-Brandt-Medaille, für ihr außergewöhnliches Wirken geehrt. Sie war Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, erhielt den Landesehrenbrief sowie den Kulturpreis und den Ehrenbrief des Main-Kinzig-Kreises. Die Stadt Hanau verlieh ihr zudem die August-Gaul-Plakette.

Ein Jahr nach ihrem Renteneintritt zog Ilse Werder 1987 von Hanau aufs Land und baute eine 300 Jahre alte, verfallene Hofreite im Bad Soden-Salmünsterer Ortsteil Katholisch-Willenroth zum Kulturtreff „Werders Scheune“ auf. Sie interessierte sich auch im Ruhestand für eine Vielzahl an Themen, initiierte Bauern, Kräuter- und Kunsthandwerkermärkte, organisierte Kabarett- und Theaterveranstaltungen, Konzerte und Lesungen. 2006 kehrte sie nach Hanau zurück, wo sie weiterhin zum Thema Frauen schrieb und Ausstellungen konzipierte. 2013 veröffentlichte sie eine Ortschronik des Stadtteils Wolfgang, in dem sie das Leben von Arbeiterinnen der Pulverfabrik beleuchtete und für die Nachwelt sichtbar machte. 2018 erschien ihr letztes Buch „Neues von gestern – Frisches für morgen“, in dem sie die Hanauer Nachkriegszeit aufarbeitete. Bis zuletzt nahm Ilse Werder mit wachem Verstand am Leben teil.