Feierstunde zu 25 Jahren Behindertenrat im Main-Kinzig-Kreis

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Rita Ebel, die Lego-Oma aus Hanau, informierte während der Feier zum 25-jährigen Bestehen des Behindertenbeirats des Main-Kinzig-Kreises über ihre bunten Auffahrhilfen.

25. Oktober 2023. - Eine Treppe vor einem Geschäft, eine Bordsteinkante, ein Schlagloch, zu eng geplante Badezimmer im Neubau, der doch eigentlich barrierefrei sein soll. Oder zu kurze Grün-Phasen an den Ampelübergangen: Wer selbst im Rollstuhl sitzt, weiß, wie viele Hindernisse tagtäglich zu überwinden sind, will man sich in den eigenen vier Wänden oder im öffentlichen Raum bewegen. „Für viele Menschen ist der Weg nach draußen beschwerlich und ohne Hilfe sogar unüberwindlich. Dann reduziert sich das Leben immer mehr auf die eigenen vier Wände, einfach, weil die Außenwelt als zu beschwerlich erlebt wird. Das ist dann genau das Gegenteil von Teilhabe und Inklusion“, erklärte Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler während einer Feierstunde im Barbarossasaal des Main-Kinzig-Forums mit Gästen aus Kommunen, Verbänden und Vereinen. Dabei ging es um die Arbeit des Behindertenrats des Main-Kinzig-Kreises, der seit 25 Jahren daran arbeitet, dass die Belange dieser Menschen Gehör finden.

„Ein wesentliches Ziel ist es, den öffentlichen Raum und unsere Gesellschaft insgesamt barrierefreier zu gestalten – auf ganz vielen verschiedenen Ebenen. Mein ausdrücklicher Dank gilt den engagierten Menschen, die sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Behindertenrat für ihre Mitmenschen einsetzen. Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Behinderung nichts ist, was wir uns aussuchen. Wir können aber sehr wohl entscheiden, wie wir als Gesellschaft dazu beitragen, dass alle Menschen gleichberechtigt und mit gleichen Chancen teilhaben können, indem wir Barrieren abbauen – auch in den Köpfen“, sagte Susanne Simmler. Die Entscheidung des Kreistags, den bis dahin bestehenden „Runden Tisch in Angelegenheiten der Behinderten“ zugunsten eines unabhängig agierenden Behindertenrats abzulösen, sei richtig gewesen. „Der Behindertenrat im Main-Kinzig-Kreis ist eine fest verankerte Institution. Sich für die Belange von behinderten Menschen einzusetzen, erfordert viel Geduld und Hartnäckigkeit. Und doch stellen wir auch nach so langer Zeit noch immer fest, dass sogar die vielzitierte Barrierefreiheit nicht automatisch mitgedacht wird, wenn es um Projekte im öffentlichen Raum geht. Und nicht nur die baulichen Aspekte sind wichtig, denn Teilhabe ist eines der Megathemen der Zukunft, betrachtet man zum Beispiel auch die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft mit immer mehr älteren Menschen“, sagte Susanne Simmler.

Der Behindertenrat des Main-Kinzig-Kreises arbeitet seit 25 Jahren mit den Ämtern der Kommunalverwaltungen, dem Kreisausschuss und dem Kreistag zusammen, um Menschen mit Behinderung Gehör zu verschaffen und auf deren Bedürfnisse und Situation aufmerksam zu machen. Seit kurzem ist Susanne Zellmer Vorsitzende des Beirats. Seine Mitglieder kommen aus Verbänden der Behindertenhilfe und aus Vereinen der Selbsthilfe. Wie Susanne Zellmer erklärte, habe sich zwar seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 in Deutschland einiges getan, doch längst nicht alles, was erforderlich sei, um Menschen mit Behinderung eine unkomplizierte Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen, sei umgesetzt worden. „Wir haben noch viele offene Baustellen und nicht erreichte Ziele. Das hat Deutschland erst kürzlich eine zehnseitige Rüge über die verfehlten Ziele und mangelnde Umsetzung eingebracht“, stellte Susanne Zellmer fest. Vieles dauere einfach zu lange, etwa flächendeckend barrierefreie Bahnhöfe oder überhaupt die Möglichkeit, uneingeschränkt mobil zu sein. Hinzu komme, dass Inklusion dadurch erschwert oder verhindert werde, dass es nicht genügend Lehrkräfte sowie Förderlehrkräfte an Schulen gebe und es nicht ausreichend viele Unternehmen gibt, die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung und Beeinträchtigung anbieten, auch im Bereich Praktika und Ausbildung. Sie erinnerte an die Worte des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: „Nicht behindert zu sein, ist kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das uns jederzeit genommen werden kann.“

Susanne Zellmer kündigte für das kommende Jahr eine intensivere Zusammenarbeit mit den kommunalen Behindertenbeauftragen an. Geplant seien Gesprächsrunden und Vorträge. „Wir wollen das bestehende Netzwerk weiter ausbauen“, sagte sie. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit besteht darin, eingehende Bauanträge auf Barrierefreiheit zu prüfen und entsprechende Empfehlungen zu schreiben. Hier kommen pro Jahr rund 40 Anträge zusammen. All das erfordert stete Weiterbildung der Beiratsmitglieder, um sich auf den aktuellen Stand im Baurecht zu bringen. Der Main-Kinzig-Kreis unterstützt die Arbeit des Behindertenrats mit einer Büroassistentin.

Zur Freude der Gäste informierte Rita Ebel aus Hanau, auch Lego-Oma genannt, über ihr Herzensprojekt: Auffahrhilfen aus Legosteinen, die einen barrierefreien Zugang zu Geschäften und anderen Einrichtungen ermöglichen. Rita Ebel, die selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist, weiß aus eigener Erfahrung, dass schon eine Stufe zum unüberwindlichen Hindernis werden kann. Am Anfang seien zehn Auffahrhilfen das Ziel gewesen. Das Projekt nahm schnell Fahrt auf und seit 2019 wurden zwei Tonnen Legosteine verbaut. Mittlerweile arbeiten acht Leute in drei Teams eine Bestellliste ab, die Nachfrage sei groß, freute sich Rita Ebel, die mit ihrem Projekt auf ein wichtiges Anliegen aufmerksam macht: Die Zugänglichkeit des öffentlichen Raums für Menschen mit Rollstuhl, Rollator oder auch Kinderwagen. So mancher Ladeninhaber habe zunächst abgewehrt, da Behinderte nicht zum Kundenstamm zählten. „Und das bleibt auch so, wenn keine Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden“, stellte die Hanauerin fest.