Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung

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Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler (links) informiert zusammen mit Oberbürgermeister Claus Kaminsky (Zweiter von rechts), Cornelia Gasche (Zweite von links), Kommunale Frauenbeauftragte der Stadt Hanau, und Ulrike Schmid, Referat für Chancengleichheit und Frauenfragen des Main-Kinzig-Kreises über das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“

15. Dezember 2022. - Viele Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung werden, geben sich die Schuld an dem Übergriff. Aus Scham versuchen sie, das traumatische Geschehen allein zu verarbeiten. Selbst wenn sie sich dazu entschließen, Spuren der Tat sichern zu lassen, bedeutet das noch nicht, dass sie anschließend zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Im Jahr 2021 haben sich elf Frauen im Rahmen des Projekts „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ in einer der drei teilnehmenden Kliniken in Hanau und Main-Kinzig-Kreis nach einer Vergewaltigung medizinisch versorgen und zum Teil auch Spuren sichern lassen. Dazu kommen acht Frauen, die eine Vergewaltigung direkt bei der Polizei angezeigt haben. Leider gibt es eine große Dunkelziffer von Betroffenen. Auch Männer und Diverse werden vergewaltigt – auch ihnen gilt dieses Projekt. Es ist traurige Realität, dass Vergewaltigungsopfer oftmals nicht die notwendige medizinische Versorgung und psychologische Nachbetreuung erhalten, weil sie aus Scham versuchen, mit dem traumatischen Erlebnis allein zurecht zu kommen. Sie haben Angst vor Repressalien, vor Stigmatisierung oder davor, von dem Täter oder der Täterin verleumdet zu werden. Etwa 90 Prozent der Täterinnen und Täter kommen aus dem direkten Umfeld der Opfer. Die meisten sexuellen Übergriffe finden durch Partner oder Partnerinnen, Bekanntschaften oder im Familienumfeld statt. Dieser Umstand erschwert es vielen Betroffenen, sich jemandem anzuvertrauen. Nicht selten wird die Situation dann verharmlost oder falsch eingeschätzt.

„Uns ist wichtig, Betroffenen Mut zu machen, sich sofort nach einer Vergewaltigung medizinische Hilfe zu holen und ihnen zu vermitteln, dass sie und wo sie diese Hilfe bekommen. Vor allem, weil es ihnen in dieser Situation möglicherweise schwerfällt zu erkennen, was gut für sie oder was sinnvoll ist“, erklärt Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler.

Das Land Hessen hat in diesem Jahr wieder Mittel zur Verfügung gestellt – unter anderem für Aufklärungsarbeit, also die Information der Bevölkerung. Daher laufen derzeit verschiedene Aktionen zur Information der Bürgerinnen und Bürger in den Bussen der Hanauer Straßenbahn GmbH (HSB), über deren Fahrgast TV, aber auch auf Plakaten. Sie befinden sich auf Anhängern von LKW, die wiederum auf markanten Plätzen im Kreisgebiet geparkt werden. „Kein Grund sich zu schämen, sondern sich helfen zu lassen“ ist auf den Plakaten in großen Buchstaben zu lesen und: „Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. Im Krankenhaus erhalten Sie Hilfe. Vertraulich.“

Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky ermutigt: „Die Botschaft an von einer Vergewaltigung Betroffene lautet: ‘Gehen Sie zum Arzt – und nicht zum Alltag über! In den Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen, dem Klinikum Hanau und im St. Vinzenz-Krankenhaus Hanau finden Betroffene rund um die Uhr Hilfe durch geschultes medizinisches Personal.“ Die Erste Kreisbeigeordnete und der Oberbürgermeister unterstreichen: „Jede Frau, jeder Mann, jeder und jede Diverse wird ernst genommen mit allen Gefühlen, die in diesem Moment durchlebt werden. Sie werden medizinisch akut und gut versorgt.“

Grit Ciani, Frauenbeauftragte des Main-Kinzig-Kreises, und Cornelia Gasche, Frauenbeauftragte der Stadt Hanau, betonen, dass das Angebot Spuren zu sichern und eine gerichtsfeste Dokumentation wesentliche Teile des Projekts sind: „Im Zuge der Untersuchung bekommen die Betroffenen außerdem Informationen zu den teilnehmenden Beratungsstellen und können auch direkt an diese „weitergeleitet werde.“ Nach der medizinischen Versorgung mit oder ohne Spurensicherung könnten die Betroffenen in Ruhe über eine Anzeige nachdenken und über das Erlebte mit einem Mitarbeitenden der empfohlenen Beratungsstellen sprechen. „Die Kosten für Untersuchung, gerichtsfesten Dokumentation sowie die Spurensicherung werden zum Teil vom Land Hessen übernommen, aber auch durch Spenden der Bürgerstiftung Hanau Stadt und Land sowie aus Töpfen der Modellregion Stadt Hanau und Main-Kinzig-Kreis finanziert“, informiert Ulrike Schmid, die das Projekt koordiniert. Die gesicherten Spuren werden vom Zeitpunkt der Untersuchung aus gerechnet für ein Jahr fachgerecht in der Frankfurter Rechtsmedizin aufbewahrt. Danach werden die Proben automatisch vernichtet – ohne eine gesonderte Mitteilung an die Betroffenen. Die im Krankenhaus verbliebenen Unterlagen werden dort im Rahmen der gesetzlichen Fristen verwahrt. Unabhängig von allen Fristen ist eine Anzeige bis zu 20 Jahren nach der Tat möglich.

Abschließend wenden sich Susanne Simmler und Claus Kaminsky noch einmal eindringlich an Betroffene: „Wichtig ist zunächst, dass niemand Sie zu einer Anzeige überreden oder zwingen darf. Lassen Sie sich bitte trotzdem umgehend nach der Tat – ohne vorher zu duschen oder sich umzuziehen – in einem der teilnehmenden Krankenhäuser medizinisch versorgen und auf Wunsch Spuren sichern.“

Betroffene können sich an folgende Kliniken wenden – und zwar an die Anmeldung beziehungsweise die Zentrale Notaufnahme oder die Frauenstation:

Main-Kinzig-Kliniken Gelnhausen, Herzbachweg 14, in Gelnhausen, Telefon: 06051 87-0.

Klinikum Hanau, Leimenstraße 20, in Hanau, Telefon: 06181 296-0

St. Vinzenz-Krankenhaus, Am Frankfurter Tor 25, in Hanau, Telefon: 06181 272-0

Weitere Informationen sind hier zu finden:

www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de Hessen – Hanau und Main-Kinzig-Kreis,

Referat für Frauenfragen und Chancengleichheit des Main-Kinzig-Kreises, Telefon 06051 85-123 14, frauenbuero@mkk.de,

Frauenbüro der Stadt Hanau, Telefon 06181 295-467, frauenbuero@hanau.de.

In vielen Hausarzt- und Frauenarztpraxen hängen die Plakate oder liegen Flyer zum Projekt aus.