Kreisspitze kritisiert die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels in Berlin

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12. Oktober 2022. - „Ernüchternd und enttäuschend“: So werten Landrat Thorsten Stolz, Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels in Berlin von Dienstag (11.10.). „Wir können in diesen ersten Ergebnissen keine konkreten Hilfestellungen für uns als Landkreis und für die Städte und Gemeinden entdecken. Die Zahl der Menschen, die das Land Hessen dem Main-Kinzig-Kreis zuweist, ist noch einmal um 50 Prozent erhöht worden. Damit müssen wir schon in dieser Woche zurechtkommen. Doch weder kurz- noch mittelfristig sehen wir eine echte Entlastung durch die vereinbarten Ergebnisse zwischen dem Bund und dem Land. Das ist ein schlechtes Signal in die kommunale Ebene hinein“, erklären Thorsten Stolz, Susanne Simmler und Winfried Ottmann.

Während selbst das Land Hessen bei der Freigabe von weiteren Bima-Immobilien nur einen Tropfen auf den heißen Stein erkennt, fehlt es im Main-Kinzig-Kreis selbst daran: Allzu viele weitere Gebäude wie beispielsweise frühere Kasernen, die noch im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) wären, gibt es im Kreisgebiet aktuell nicht. Wo es sie zuletzt noch gegeben hat, etwa in Hanau, hat die Instandsetzung und Vorbereitung für die dauerhafte Unterbringung von Menschen in diesem Jahr viele Wochen gedauert.

Die Refinanzierung der Kosten für die kommunale Ebene ist bei der Spitzenrunde in Berlin am Dienstag nicht abschließend besprochen worden. Hierzu soll es einen Nachfolgetermin im November geben. Dabei wäre hier aus Sicht des Main-Kinzig-Kreises „eine Übernahmezusage höherer Anteile an den Kosten der Unterkunft ein erster hilfreicher Schritt gewesen“, so die Kreisspitze.

Die Kreisspitze erinnert daran, dass vor Ort seit vielen Monaten Großes geleistet werde. Weit über 6.000 Menschen aus der Ukraine und anderen Krisenländern haben im Main-Kinzig-Kreis eine Unterbringung und Versorgung erhalten, die meisten schon in dauerhaften Wohnverhältnissen. Das laufe geräuschlos, auch dank der guten Arbeit aller ehren- und hauptamtlichen Kräfte. „Wir müssen nun gemeinsam und solidarisch Vorsorge treffen, dass wir diese Aufgabe auch in den nächsten Monaten noch so gut hinbekommen. Das ist unsere gesamtgesellschaftliche, humanitäre Verpflichtung. Und es ist zugleich eine Mammutaufgabe, gerade hinsichtlich des praktisch kaum noch verfügbaren Wohnraums auf dem Privatmarkt und der ohnehin schon starken Auslastung kommunaler Verwaltungen. Nach dem Treffen vom Dienstag muss man sagen, dass der Bund und das Land gleichermaßen die kommunale Familie im Stich lässt“, so Stolz, Simmler und Ottmann.

Der Main-Kinzig-Kreis erneuert seine Forderungen und Bitten, die er vor über zwei Wochen an das Land Hessen gestellt und auch um einen kurzfristigen Gesprächstermin mit Ministerpräsident Boris Rhein gebeten hat – bislang im Übrigen ohne eine inhaltliche Rückmeldung aus Wiesbaden: Zum einen brauche es mehr Unterbringungskapazitäten durch das Land Hessen selbst und somit eine Wiedereröffnung von Außenstellen der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen. Zudem müssten sich alle Bundesländer, und nicht nur ein Teil, an der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten beteiligen. Innerhalb Hessens brauche es eine gerechtere Verteilsystematik der Landesregierung – und damit spielt der Main-Kinzig-Kreis darauf an, dass er auch im vierten Quartal wöchentlich mehr Geflüchtete unterzubringen hat als der gesamte Regierungsbezirk Kassel und ganze sechs Gebietskörperschaften in Hessen bis Jahresende gar keine Asylsuchenden aufnehmen müssen.

„Wir stoßen in den Kommunen an kapazitative Grenzen. Doch die Bitten um eine lageangepasste Kommunikation oder eine wenigstens nachjustierte Verteilsystematik stoßen bislang auf taube Ohren. Wir werden wie Bittsteller behandelt, was vor Ort für viel Frust und Ärger sorgt“, bringt es die Kreisspitze auf den Punkt. Aus den Gesprächen mit den Rathäusern des Kreisgebiets berichten Stolz, Simmler und Ottmann, dass sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in der immer direkteren Auseinandersetzung um die Schaffung von Wohnraum Unterstützung aus der Landesregierung erhoffen: „Die Kommunalpolitik im Main-Kinzig-Kreis fühlt sich im Moment im Stich gelassen. Sie bekommt nicht den Rücken gestärkt und hat nach einem sogenannten Gipfeltreffen dann noch nicht mal die Perspektive, dass es mittelfristig Entlastung gibt.“

Der Main-Kinzig-Kreis richtet den Appell an die Bundes- und Landesregierung, sich über Parteigrenzen hinweg zusammenzuraufen und den Kommunen im Bereich der Unterbringungskapazitäten und bei der finanziellen Ausstattung zu helfen. „Wir stärken als Landkreis allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in den schwierigen Diskussionen, die sie derzeit rund um das Thema führen, ausdrücklich den Rücken. Gleiches fordern wir auf allen Ebenen, von den Abgeordneten im Bund, im Land und in den örtlichen Parlamenten, um hier eine gute Unterbringung für die Menschen zu ermöglichen“, so die Kreisspitze. „Diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung darf nicht zum parteipolitischen Spielball werden.“