Wie eine Turnhalle zur sicheren Zufluchtsstätte für Kriegsflüchtlinge wird

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Als eine der beiden ersten größeren Flüchtlingsunterkünfte wurde in Birstein die Turnhalle der Haupt- und Realschule für ukrainische Flüchtlinge hergerichtet. Landrat Thorsten Stolz, Bürgermeister Fabian Fehl und der stellvertretende Schulleiter Tilo Franke erläuterten den Aufbau der Notunterkunft. In der Mensa der Schule werden die geflüchteten Menschen verpflegt – das ist ein wichtiger Beitrag seitens der Schule.

23. März 2022. - Menschen, die vor russischen Raketenangriffen und Bombenterror in der Ukraine geflohen sind, finden Schutz im Main-Kinzig-Kreis. Mehr als 2000 von ihnen haben sich innerhalb von zweieinhalb Wochen bereits bei der Ausländerbehörde des Main-Kinzig-Kreises und der Stadt Hanau registriert. Hunderte weitere Kriegsflüchtlinge werden in den nächsten Tagen und Wochen über Zuweisungen der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen erwartet. Um diesen hohen Zustrom innerhalb kurzer Zeit bewältigen zu können, nimmt der Main-Kinzig-Kreis in dieser Woche zwei Großunterkünfte in Betrieb: Die Turnhalle der Haupt- und Realschule in Birstein und die Mehrzweckhalle in Hanau-Mittelbuchen. Beide bieten jeweils Platz für maximal 200 Personen und sind mit sanitären Einrichtungen und Verpflegungsmöglichkeiten ausgestattet. Bei der Vorstellung der Flüchtlingsunterkunft in Birstein skizzierte Landrat Thorsten Stolz die aktuelle Lage und betonte zusammen mit Bürgermeister Fabian Fehl und dem stellvertretenden Schulleiter Tilo Franke, wie groß die Solidarität und breite Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger ist.

„In den vergangenen Wochen war die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung groß, zahlreiche Menschen engagieren sich auf ganz unterschiedlichen Wegen. Da wir nicht wissen, wie lange diese Krisensituation andauern wird, müssen wir uns auf einen Marathon einstellen“, sagte Thorsten Stolz. Eine Vielzahl unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure tragen dazu bei, dass dies gelingt. So haben Feuerwehren und Technisches Hilfswerk beim Aufbau der beiden Notunterkünfte geholfen.

In Birstein stellt die Schule neben der Turnhalle auch die Mensa zur Verfügung – das ist seitens der Schulgemeinde eine große Unterstützung. Denn das Team der „Heinzelmännchen“, das die Mensa bewirtschaftet, kann aufgrund seiner Personalstärke nicht für Schülerschaft und ukrainische Flüchtlinge das volle Verpflegungsprogramm anbieten. Die Schülerinnen und Schüler der Haupt- und Realschule erhalten deshalb während dieser Zeit Lunchpakete über die Lehrküche, um den Mensabetrieb zu entlasten. Für die Ausgabe der Lunchpakete haben sich prompt Schülerinnen und Schüler freiwillig gemeldet, um einen Beitrag zu leisten. Der Sportunterricht findet größtenteils im Freien statt. Dafür stellt der SV Birstein seine Umkleiden zur Verfügung. Wie Tilo Franke sagte, sei all das mit den Eltern besprochen und gemeinsam erörtert worden, welche Veränderungen akzeptabel und umsetzbar sind. Schule, Lehrerschaft, Eltern und Kinder stünden hinter dieser Entscheidung. Fabian Fehl bekräftigte, dass die Hilfsbereit in der Gemeinde groß sei. „Wir brauchen für die kommenden Wochen und Monate Menschen, die bereit sind, zu helfen. Ohne sie geht es nicht“, sagte er.

„All das sind natürlich Einschränkungen, die vor allem den Schulalltag betreffen, aber auch Vereine. Mein Dank gilt deshalb allen, die dazu beitragen, dass wir diese große Aufgabe gemeinsam bewältigen. Den Krieg in der Ukraine können wir im Main-Kinzig-Kreis nicht beeinflussen, aber wir können den Menschen, die jetzt Schutz und Hilfe brauchen, zur Seite stehen. Diese Menschen haben ihre Heimat verlassen müssen und sie haben Kriegsgräuel erlebt. Das mindeste, was wir tun können, ist, ihnen jetzt solidarisch zu helfen“, betonte der Landrat.

Die Turnhalle ist groß genug für viele kleine Wohneinheiten, die alle mit abschließbaren Türen ausgestattet sind. Eine Wohnkabine enthält in der Regel drei Feldbetten, ein Kinderbett, einen kleinen Tisch und zwei Stühle – das sind die wichtigsten Einrichtungsgegenstände. Auf roten Matten liegen Badeschlappen bereit, auf dem Tischchen befindet sich eine Erstausstattung mit Produkten zur Körperpflege – auch für Babys ist etwas dabei. Zur Verfügung stehen Stromanschlüsse und ein Zugang zu W-Lan. Außen sind die Wohnkabinen mit Nummern gekennzeichnet. In Kabine 1/01 befindet sich ein Spielzimmer, das schon an der Außentür liebevoll mit kleinen Stofftieren behängt ist. Hier sollen Kinder, die vor den Schrecken des Krieges in Sicherheit gebracht wurden, einfach für eine Weile wieder Kind sein dürfen. Neben kleinen Tischen und Stühlen, Malsachen und einem Spieltunnel gibt es unter anderem ein kleines Puppenhaus und eine Mini-Werkzeugbank.

„Etwa 40 Prozent der bei uns registrierten Ukraineflüchtlinge sind Minderjährige“, erklärte Silvio Franke-Kißner, der sich als Leiter des Amtes für Sicherheit, Ordnung, Migration und Integration darum kümmert, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer unbürokratisch registriert werden, um medizinische Versorgung und andere Unterstützung in Anspruch nehmen zu können. Für die in der Birsteiner Flüchtlingsunterkunft einquartierten Menschen wird es vor Ort medizinische Sprechstunden geben mit der Möglichkeit, sich auf Corona testen zu lassen und sich impfen zu lassen. Auch die Sachbearbeiter der Ausländerbehörde werden Sprechzeiten vor Ort anbieten. Dafür wurden eigens Räumlichkeiten mit Computerterminals eingerichtet. Zusätzlich sorgen die Mitarbeitenden aus dem Büro für Interkulturelle Angelegenheiten dafür, dass Hilfsangebote wie Sprachmittler und Kinderbetreuung organisiert werden. Um die Sicherheit der Menschen in der Halle zu gewährleisten, wurde ein Sicherheitskonzept erarbeitet. „All das sind wichtige Punkte, warum wir die Turnhalle in Birstein ausgewählt haben: Sie ist groß genug für maximal 200 Personen und bietet mit der Mensa die Möglichkeit, eine große Menge an Menschen vernünftig verpflegen zu können. Auch die gute Infrastruktur in Birstein ist ein wichtiger Faktor“, betonte Landrat Thorsten Stolz.

Der Main-Kinzig-Kreis rechne mit wöchentlich mindestens 250 Flüchtlingen, die über die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen kommen und kurzfristig in den Notunterkünften untergebracht werden.

Für alle die, die noch nicht wissen, wo sie dauerhaft in den nächsten Wochen und Monaten unterkommen werden, ist die hessische Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen zuständig. Denn: „Bund und Länder haben sich mittlerweile auf ein Verteilsystem geeinigt, den sogenannten Königsteiner Schlüssel. Dieses System bringt für den Main-Kinzig-Kreis mehr Planungssicherheit und erleichtert die große Aufgabe, schnellstmöglich eine kurzfristige Unterkunft bereitstellen zu können. Das hilft uns vor Ort, aber auch den Menschen, die zu uns kommen. Anders ist der große Zustrom an hilfsbedürftigen Menschen nicht zu bewältigen“, verdeutlichte der Landrat.

Um genügend Kapazitäten zu schaffen, bereitet der Kreis außerdem als nächstes die Turnhalle der Heinrich-Böll-Schule in Bruchköbel vor. Auch dort soll ein Ort entstehen, an dem Frauen, Kinder und ältere Menschen eine erste, sichere Zuflucht finden. Mehr Infos zum Thema Ukraine und wie Hilfsangebote abgerufen oder eingestellt werden können, finden sich auf www.mkk.de unter „Ukrainehilfe MKK“.